Hatha Yoga

Traditionelles Hatha Yoga

Yoga in seiner ursprünglichsten Form

Viele heute praktizierte Yogastile haben ihren eigentlichen Ursprung im traditionellen Hatha Yoga, auch Patanjalli Yoga oder Raja Yoga genannt. Ein Yogastil, der über tausende von Jahren von Lehrern an ihre Schüler weitergegeben wurde und der durch Paramahansa Yogananda Einzug in die westliche Welt fand. Dabei bezieht er sich auf die Yoga-Sutren (Verse) des Patanjalli.

Yoga in seiner traditionellen Form ist dazu da, um unseren Geist zur Ruhe zu bringen. Denn nur mit einem ruhigen, stabilen und unbeschwerten Geist können wir zur wahren Erleuchtung und zu unserem wahren Glück finden. In der Praxis bedienen wir uns dabei den Asanas (Yogaposen), um unseren Körper mit unserem Atem zu verbinden und im weiteren den Atem mit unserem Geist zu verbinden, um diesen zur Ruhe zu bringen.

“If Yoga was about flexibility, all the gymnasts of the world would be enlightened.“

-Yogarupa Rod Stryker-

Entgegen der gängigen Annahme, beim Yoga ginge es um Flexibilität, geht es vielmehr um Stabilität. Denn ein stabiler Körper fördert die Stabilität und Ruhe des Geistes. Dass durch eine regelmäßige Asana-Praxis der Körper auch flexibler wird, ist dabei ein netter Nebeneffekt. Ich nenne es hier bewusst Asana-Praxis, denn das Üben von Asanas alleine ist noch kein Yoga. Yoga ist Atmen, Yoga ist Meditation. Die klassischen Hatha Yoga Stunden setzen sich daher immer aus Asanas (Yogaposen), Pranayama (Atemübungen) und Meditation zusammen.

Das Wort Hatha lässt sich in die Silben “Ha” und “tha” unterteilen. Übersetzen kann man dies mit Ha = die Sonne oder Prana (Lebenskraft) und tha = der Mond oder der Geist. Die Yogaklassen können daher in sogenannte Sonnen- oder Sun-Klassen und Mond- bzw. Moon-Klassen unterschieden werden.

Moon Hatha

Moon Hatha ist die erste Stufe der Hatha Yoga Praxis. Moon Hatha ist wie Medizin für unseren modernen, umtriebigen Geist. Dabei werden die Yogaposen länger gehalten, um Stabilität im Körper aufzubauen und den Geist zur Ruhe kommen zu lassen. Der Fokus liegt hierbei auf der Ausatmung. Diese wird während der Asana-Praxis Stück für Stück verlängert und aktiviert dabei unser parasympathisches Nervensystem. Das sorgt dafür, dass wir in einen Ruhezustand gelangen, die Herzfrequenz sich verlangsamt und die Verdauung in Gang gesetzt wird.

Der Fokus der Asanas liegt hierbei auf Vorwärtsbeugen und Twists, welche die Energien Apana Vayu und Samana Vayu kultivieren. Apana Vayu ist die Energie, die von oben nach unten und im Bereich des Beckens nach außen fließt. Dadurch wirkt sie sehr entgiftend, sowohl auf physischer wie auch auf psychischer Ebene. Durch eine gezielte Praxis mit Vorwärtsbeugen kann man ebenso auf körperlicher, wie auch auf mentaler Ebene richtig los lassen und fühlt sich im Anschluss geerdet und in Balance. Die Energie Samana Vayu ist die Energie, die sich von oben nach unten und im Bereich der Nabelregion kreisend ausbreitet. Dadurch nimmt sie Einfluss auf unsere Verdauung und unseren Stoffwechsel. Die Energie wirkt zentrierend und balancierend und sorgt für körperliche sowie mentale Stabilität.

Die Moon Hatha-Klassen sind daher besonders für Personen geeignet, die einen stressigen Alltag haben, denen viel im Kopf herumschwirrt, die sich etwas ängstlich und außer Balance fühlen. Der Unterricht eignet sich gerade dann, wenn man leicht aus der Ruhe zu bringen ist, sich leicht ärgert und sowohl körperlich als auch mental schnell hitzig reagiert. Die regelmäßige Praxis kann Schlafproblemen, Verdauungsproblemen und Problemen im Bereich der unteren Wirbelsäule entgegen wirken. Durch das regelmäßige Praktizieren kann die Konzentrations- und Meditationsfähigkeit zudem gesteigert werden.

Moon Hatha Yoga und Surfen

Aus Surfer-Sicht sind die Moon Hatha-Klassen ideal für den Ausgleich nach dem Surfen. Das Praktizieren von Vorwärtsbeugen wirkt ausgleichend zur Haltung auf dem Surfbrett, wo wir permanent im Hohlkreuz liegen. Nach einer sehr aktiven und für unseren Körper anstrengenden Surfsession ist eine beruhigende und ausbalancierende Moon Hatha-Klasse genau das richtige, um den Körper und auch den Geist wieder runter zu fahren.

„Once the Moon has been made steady, the Sun can be made to rise.“

– Hatha Yoga Pradipika –

Sun Hatha

Sun Hatha ist die zweite Stufe der Hatha-Yoga-Praxis. Ein stabiler und ruhiger Geist ist die Grundvoraussetzung hierzu. Sun Hatha ist eine dynamischere, aktivierendere Praxis als das Moon Hatha. Der Fokus liegt hierbei auf der Steuerung der Lebensenergie Prana, welche durch bestimmte Atemtechniken (Einsetzen von Kumbhaka, Bandhas und Mudras) gesteigert wird.  Durch die schrittweise Verlängerung der Einatmung aktivieren wir unser sympathisches Nervensystem, was dafür sorgt, dass unsere Herzfrequenz und unser Blutdruck gesteigert wird. Der Körper wird auf körperliche und geistige Leistung vorbereitet.

Der Fokus der Asanas liegt bei den Sun Hatha-Klassen auf den Rückbeugen und den Seitbeugen, welche die Energien Pran Vayu und Vyana Vayu kultivieren. Pran Vayu ist die Energie, die von außen nach innen und dann aufsteigend fließt. Durch das Üben von Rückbeugen können wir diese Energie bewusst in unseren Körper aufnehmen und „unsere Batterien“ wieder aufladen. Pran Vayu wirkt verjüngend und fördert unsere Aufnahmegabe. Die Energie Vyana Vayu ist die Energie, die sich zirkulierend im ganzen Körper verteilt. Durch eine gezielte Asana-Praxis der Seitbeugen kann diese Energie angeregt werden. Sie stärkt unsere Vitalität und unsere Bewegungsfreude.

Die Sun Hatha-Klassen sind daher besonders für Personen geeignet, die sich träge und faul fühlen oder auch traurig und deprimiert sind. Die Sun Hatha-Praxis regt eine positive Grundeinstellung zum Leben an und kann einem schwachen Kreislauf und geschwächten Immunsystem entgegen wirken.

Sun Hatha Yoga und Surfen

Aus Surfer-Sicht sind die Sun Hatha-Klassen ideal für die Zeit vor dem Surfen, da man sehr gut körperlich und mental auf die nächste Session vorbereitet wird. Das Praktizieren von Vorwärtsbeugen und Sonnengrüßen bereitet ideal auf die Bewegungsabläufe während des Surfens vor. Durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems werden wir wach und Aufnahmebereit für die schnellen Reaktionen, die uns später im Line-up abverlangt werden.

Erfahre mehr über das Zusammenspiel von in unserem Blogbeitrag Yoga und Surfen – Die perfekte Symbiose.

Mein Weg zum traditionellen Hatha Yoga

Vor ungefähr zwölf Jahren nahm mich meine ehemalige Mitbewohnerin das erste Mal mit zu einer Yogastunde. Ich stand dem ganzen noch sehr skeptisch gegenüber, da ich dachte, dass ist mir alles zu spirituell und zu “hippie-mäßig”. Doch ich musste schnell zugeben, dass diese Hatha-Stunde für Beginner, sehr wohltuend für mich war. Zu dem damaligen Zeitpunkt arbeitete ich noch im Schichtdienst in einer Wohngruppe für psychisch erkrankte Mädchen, was teilweise sehr herausfordernd sein konnte. Hinzu kam, dass für mich persönlich meine Gruppenleitung eine große Herausforderung darstellte und die donnerstäglichen Teambesprechungen, doch sehr stark an meinen Nerven zerrten. So kam die abendliche Yogastunde für mich wie gerufen, um nach einem stressigen Arbeitstag wieder runter zu kommen.

Mit der Zeit habe ich meinen Job und Wohnort gewechselt, aber dem Yoga blieb ich die Zeit über, immer mal mehr und mal weniger, treu. Ich habe ein neues Yogastudio in meinem neuen Wohnort für mich gefunden, wo zu Beginn der Stunde sehr viel über die Philosophie und Anatomie der jeweiligen Klassen erklärt wurde. So kam auch bei mir der Wunsch auf, tiefer in diese Wissenschaft einzutauchen und mehr darüber zu lernen, was hinter der jeweiligen Praxis steckt. Für mich war klar, dass ich sobald ich einmal Zeit dazu hätte eine Yogaausbildung in Indien machen möchte- Dem Ort, wo vor tausenden von Jahren alles seinen Ursprung hatte. So googelte ich mich immer wieder durch die unzähligen Angebote von Yogaschulen und Anbietern, ohne wirklich zu wissen, wie ich mich für eins der Angebote entscheiden sollte.

Nach einer dreimonatigen Reise durch Asien kam ich schließlich wieder in Canggu, Bali an. Hier hatte ich auch die letzten Jahre meine Surfurlaube verbracht. Yoga war für mich dabei immer zweitrangig, weil ich dies ja schließlich auch zu Hause machen konnte und Surfen eben nicht. Bis ich das erste Mal „The Practice“ in Canggu betrat und mir im Anschluss die Ausschreibung zum “200 Stunden Teacher Training” durch las. Auf einmal war es für mich ganz klar: Hier will ich hin! Genau hier möchte ich am liebsten, jetzt gleich und sofort mit meiner Ausbildung beginnen.

Ein bisschen musste ich mich aber noch gedulden. Denn schließlich war der Plan, zurück nach Hause zu fliegen und zurück in meinen damaligen Job zu gehen. Der Wunsch, die Yogaausbildung zu machen, war jedoch ungebrochen. Und so habe ich mich kurz nach meiner Rückkehr für ein Teacher Training im darauffolgenden Jahr beworben. Um meinen plan in die Tat umzusetzen, musste ich meinen Job in Deutschland kündigen, da dieser mir nicht den zeitlichen Spielraum gelassen hätte. Da aber eh eine berufliche Veränderung anstand, war dies nur der erste Schritt, der mich letztlich dazu brachte, auch mein restliches Leben gründlich umzukrempeln und für eine Weile nach Asien zu gehen. Und so kam es, dass ich ein Dreiviertel Jahr später im Hipster-Hotspot Canggu, bei dem Hipster-Typen schlechthin, die wohl traditionellste Ausbildung außerhalb von Indien absolviert habe.

Yoga ist so viel mehr, als nur das Üben irgendwelcher Posen. Yoga ist eine Wissenschaft und zusammen mit der Schwesternwissenschaft Ayurveda kann eine gezielte Praxis helfen, Inbalancen physischer und psychischer Natur entgegen zu wirken. Das fasziniert mich so an diesem traditionellen Ansatz. Und je weiter ich in diese Wissenschaft eintauche, umso mehr zieht sie mich in ihren Bann. Ich bin heute also nicht nur Yogalehrerin, sondern auch für immer Schülerin dieser traditionellen Schule. In meinem Yogaunterricht möchte ich daher nicht nur Asanas unterrichten, sondern Wissen weitergeben. Mir ist es wichtig, dass meine Schüler verstehen, was wir praktizieren und warum wir es auf diesem Wege tun.

Zum Abschluss ein paar Worte auf den Weg

Beim Hatha Yoga geht es weniger um perfekte und ausgefallene Yogaposen, als vielmehr um das richtige Einsetzen der speziellen Posen und ihre Wirkung auf unseren Körper. Praktiziere daher nicht einfach das Yoga, auf das du Lust hast, sondern praktiziere das Yoga, das du wirklich benötigst!

„Yoga is not about touching your toes, it is what you learn on the way down.“

– Jigar Gor –

Geschrieben von Nadja